(09.01.2024, Nadine Gaerdes)
Zwei herausragende Kennzeichen Namibias sind die grossen Farmen und die weiten Entfernungen.
Diese beiden in Einklang zu bringen, ist für Familien eine Herausforderung, wenn es gilt, ihre Kinder einzuschulen.
Möchte man die Variante Home Schooling nicht wählen, bleibt nur die Variante “Internat” – in Namibia “Heim” genannt. Die Kinder verbleiben unter der Woche im Heim, werden dort von Erziehern betreut, gehen zur Schule und werden am Freitagmittag abgeholt, um das Wochenende zuhause auf der Farm zu verbringen. Am Montagmorgen müssen sie zurück im Heim sein. Woche für Woche dreht sich dieses Rad und auch die Räder der Autos, die Freitag & Sonntag rollen, mehrere hundert Kilometer, zum Teil auf Schotterstraßen.
Solch ein Leben kann zur Achterbahnfahrt der Gefühle werden und möchte in dem folgenden Poetry-Slam in Worten eingefangen sein:
Heim(at)
Autotüren knallen, die Gefühle wallen
und baden in einem Meer der Zerissenheit.
Arme weit, zum Abschied bereit.
Ein Lachen im Gesicht, die Freunde zu seh‘n.
Eine Träne dahinter, die Mama muß geh‘n.
Der Zwiespalt zwischen Freude und Leid;
die Zeit ist gekommen, dein Kind dir genommen,
die Selbstständigkeit, dem Kind gegeben,
die das Leben einfacher macht.
Sonntag für Sonntag der Weg zurück vom häuslichen Glück,
in die Gefilde, die hierzulande Heim genannt,
verwandt mit Heimat; verkürzt um ein a und ein t —
Manch einem tut es weh.
Hast du die Weichen positiv gestellt
und die Welt deines Kindes mit Liebe und Vertrauen bestückt,
geht dieses häusliche Glück Woche für Woche mit in das Heim.
Dann wird es so sein,
daß das lachende Auge die Freundin sieht,
und das weinende eine Augenklappe kriegt.
Die Freundin hat viel zu erzählen,
es gilt zu wählen, was das Wichtigste ist.
Du selbst erpicht, daß die Tasche getragen,
der Ranzen an Ort und Stelle kommt.
Und prompt ist sie da, tut was zu tun,
keine Zeit zu ruh’n.
Weg ist sie und nie schien da ein Zweifel zu sein,
daß sie ganz allein ihre Dinge kann regeln.
Du schüttelst den Kopf in erstaunter Freude
und dieses Gefühl betäube den Kummer
über die Zeit, die dein Kind so schnell entlassen hat
und in der Tat soll das Loslassen beginnen.
Mit allen Sinnen genießt du dein Kind, schaust ihr nach.
Nach kurzem Zögern gehst auch du hinein,
es darf vielleicht nicht sein, sie will alles allein.
Und doch schleichst du wie ein Dieb,
mit mütterlichem Trieb, ins Badezimmer.
Duschgel noch voll, Handtuch noch frisch,
auf dem Tisch eine Zeitschrift mit Pferden,
die Mädchen, sie werden, immer größer und reifer,
ihre Vorlieben wachsen, sie lernen sich kennen,
nur beim Benennen mußt du noch helfen.
Ein Trost, du wirst gebraucht,
denn auch wenn sie laut ruft, ich kann das allein,
so mußt und darfst du Mutter sein.

@Maia Gaerdes
Nun hörst du ein Kichern,
mit Vorsicht schaust du ins Zimmer hinein,
sie sind zu dritt, mit Albernheiten werden Blusen auf Bügel gehängt,
die Strümpfe neben T-Shirts gezwängt,
zum Schluß noch das Bett bezogen,
sie schmeißen die Arme nach oben, klatschen sich ab.
Die Schranktür knallt, bald wird die Zimmertür aufgehen,
du wirst gesehen und verschämt dich zurückziehen.
So gehst du schnellen Schrittes, erhobenen Hauptes,
dein Kind zu versorgen,
für all die Morgen, die folgen bis zum Freitag;
damit, was sie mag, für jeden Tag in der Naschbox parat.
Alles getan, nun gilt all das Lassen:
Verlassen und loslassen,
überlassen an all die andern,
die hier wandern durch die Gänge,
durch die Zimmer und immer
ein Auge auf sie richten, sich verpflichten,
dein Kind zu beschützen,
es wird dir nichts nützen,
dich zu grämen, denn zähmen werden sie —
bis zum Wochenende, dann erfolgt erneut die Wende:
Autos kommen angefahren, Taschen werden getragen.
Wie ein springender Floh kommt sie angerannt,
ganz gebannt bestaunst du diese pure Fröhlichkeit;
auf und ab, kurz und knapp begrüßt sie dich
und fängt schon an zu plappern.
Viel Neues gibt es zu berichten,
ganz versessen, nichts zu vergessen
sprudelt es heraus aus ihrem Mund;
ganz gesund sieht sie aus,
denkst du frohgemut, es tut gut, das zu sehen.
Du bleibst stehen, hältst kurz inne bis der erste Ansturm vorbei.
Dann geht es Reih‘ um Reih‘ ans Abschied nehmen.
Lautes Lachen, Türen krachen,
alles verstaut, man wünscht sich auch
eine gute Pad.
Der Weg nach Hause ist weit,
ihr seid bereit für das Gespräch, den Austausch,
die Umarmung, das Gebet, es ist nie zu spät,
die Liebe zu geben,
die wieder halten muß für eine Woche,
die zum Schluß, ein Leben prägt.
Einen Rat kannst du sicher nicht geben,
in jedem Leben sieht es anders aus.
Eins läßt sich sagen, man darf es wagen, die Fragen zu stellen,
die in Wellen immer wieder kommen.
Es wird dir nicht genommen, die Entscheidung zu tragen.
Schwappen die Wellen über auf dein Kind
und sind sie positiv und froh gestimmt,
dann stecken sie an und es kann
eine fruchtbare Zeit sein.
Das Plappern auf der Rückbank verstummt,
dein Blick in den Rückspiegel zeigt,
daß nun der Schlaf noch bleibt.
Dein Lächeln verschmilzt mit ihrem.
Die Räder rollen und wollen nach Hause,
ein Ort des Gelingens,
das Heim und die Heimat in Einklang zu bringen.